Was produzierst du wirklich?
Landwirte, Politiker, Interessensvertreter, AMA und Imagekampagnen betonen seit Jahren, dass die österreichischen Bauern gesunde und gute Lebensmittel produzieren. Damit hofft man die Wertschätzung für heimische Lebensmittel, Landwirte und den ganzen Berufsstand zu stärken und so zumindest indirekt die Akzeptanz für diverse politische Maßnahmen wie etwa Förderungen zu erhöhen. Diese Aussage ist aber leider falsch.
Zumindest für rund 85% der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich. Österreichische Landwirte produzieren in der Regel keine Lebensmittel sondern sie erzeugen Rohstoffe. Diese Unterscheidung ist wichtig denn sie liefert die Erklärung für die enorme Diskrepanz zwischen dem Erzeugerpreis und dem Verkaufspreis im Lebensmittelhandel. Besonders für das eigene Betriebskonzept und Geschäftsmodell ist es notwendig, dass du dir ganz klar bewusst bist ob du Lebensmittel oder Rohstoffe produzierst.
Was ist aber jetzt genau der Unterschied?
Rohstoff oder Lebensmittel?
Vielleicht klingt das für dich wie eine abgehobene akademische Diskussion aber die Unterscheidung ist extrem wichtig. Du brauchst diese Festlegung um deinen Betrieb weiter entwickeln zu können. Man könnte jetzt lange über den Begriff „Lebensmittel“ diskutieren, nur das bringt dir nichts für deinen Betrieb.
Was dir schon etwas bringt ist wenn du dir die Frage stellst ob dein Produkt, wenn du es verkaufst, direkt in der Küche bzw. im Mund des Käufers landet oder ob es zuerst vom Käufer verarbeitet und dann weiterverkauft wird. Wenn Letzteres der Fall ist, dann bist du ganz klar ein Rohstofflieferant.
Wenn dein Produkt direkt in der Küche oder im Mund landet bzw. unverändert in einem Verkaufsregal, dann erzeugst du Lebensmittel. 10 Tonnen Weizen am Kipper sind bei dieser Definition kein Lebensmittel sondern einfach ein Rohstoff. In 500g Säckchen abgepackter Weizen für die Küchenmühle zum heimischen Brotbacken wäre ein Lebensmittel.
Ich spreche hier aber nicht zwangsläufig von Direktvermarktung. Auch wenn du dein Produkt an Händler und Zwischenhändler verkaufst es aber vor dem Verkauf nicht weiter verarbeitet wird und im besten Fall in deiner Verpackung mit deinem Namen bleibt, dann bist du Lebensmittelproduzent. Die Art der Vermarktung entspricht deinem Geschäftsmodell und das kann auch mehrere Vermarktungsschienen beinhalten. Die Entwicklung eines Geschäftsmodelles für deinen Betrieb ist aber eine andere Geschichte.
Im Prinzip musst du nur eine Frage für dich beantworten:
- Ist für den Endkunden ersichtlich, dass es sich um mein Produkt handelt?
Wenn du das mit JA beantworten kannst, dann produzierst du in dieser Definition Lebensmittel, wenn NEIN, dann bist du ein anonymer Rohstofflieferant.
Der Nachteil von Rohstoffen
Als Rohstofflieferant bist du anonym und damit absolut ersetzbar. Je geringer die Anonymität ist, desto besser für dich. Das kann sein, dass dein gelieferter Rohstoff einem Land zugeordnet werden kann, einer Region oder einer bestimmten Produktionsweise (Bio, Demeter, …). Trotzdem bist du immer noch ersetzbar.
Für den Verarbeiter spielt es abgesehen von selbst auferlegten Herkunftsbeschränkungen keine Rolle woher der Rohstoff kommt und wer ihn geliefert hat. Je größer die Verarbeitungstiefe, desto geringer ist der Wert deines Rohstoffs. Wer stellt sich beim Kauf von Kinderschokolade die Frage woher das bisschen Milch kommt das da enthalten ist? Beim Kauf von einem Liter Vollmilch stellen sich Käufer noch eher die Frage nach der Herkunft.
Für große Verarbeiter ist es also völlig egal ob du, deine Nachbar oder sonst wer das Getreide für z.B. den Milka Tender Riegel liefert. Dem Konsumenten eines solchen Riegels übrigens auch. Das bedeutet du stehst auf einmal im Ring mit Großbetrieben aus aller Welt die natürlich zu ganz anderen Konditionen anbieten können. Wie gesagt, dort wo eine regionale Herkunft wichtig ist, ist natürlich auch der Kreis der Anbieter kleiner und damit der Preis meist besser.
Mit einem Produkt das auch vom Endkunden dir als Erzeuger zuordenbar ist hast du besonders was den Preis angeht erheblich Vorteile. Natürlich musst da dann in Markenbildung, Vertrauen und Vertrieb investieren.
Was hilft es?
Damit du dein Einkommen verbessern kannst bzw. dein Betriebskonzept überarbeiten und adaptieren kannst musst du wissen ob du Rohstoffe oder Lebensmittel produzierst. Denn je nachdem wo du angesiedelt bist musst du deine Abläufe und Prozesse anpassen. Als Rohstoffproduzent hast du nur einen Hebel für mehr Gewinn. Du musst die Produktionskosten senken. Kurz angeschnitten geht das nur auf zwei Arten mit mehr Ertrag bei gleichem Einsatz oder gleicher Ertrag bei weniger Einsatz.
Auf den Preis hast du als Rohstoffproduzent (fast) keinen Einfluss, er wird dir vorgegeben und ist kaum verhandelbar. Jammern, lamentieren oder Forderungen an die Politik zu richten hat nichts mit Betriebsführung zu tun. Du als Landwirt musst deinen Betrieb so aufstellen, dass er in dem gegeben Umfeld (das beinhaltet bei Rohstoffen auch Preisschwankungen) wirtschaftlich erfolgreich ist. (Land-wirt, kommt von Land und Wirtschaft)
Dabei hilft es dir enorm wenn du dir bewusst bist auf welcher Seite du stehst, Lebensmittel- oder Rohstofferzeuger. Höhere Preise bei den Konsumenten zu fordern oder Kunden zu verdammen die billiges Fleisch kaufen ist falsch und bringt dir nichts wenn du Rohstoffe produzierst. Dein Kunde ist ein Rohstoffeinkäufer und mit dem musst du dich auseinander setzten. Der Rohstoffpreis richtet sich nicht nach dem Regalpreis (siehe Nespresso Kaffee: die Kaffeebauern haben auch keinen höheren Rohstoffpreis seit sie an Nestle liefern nur weil Nespresso extrem teuer verkauft wird). Du hast also nur eine Möglichkeit, nämlich deine Kosten zu senken.
Als Lebensmittelproduzent hast du wesentlich mehr Hebel in der Hand dein Einkommen bzw. den Gewinn zu beeinflussen. Dazu darf ich auf andere Beiträge verweisen.
Fazit
- Werde dir bewusst ob du Lebensmittel oder Rohstoffe produzierst. Stell dir einfach die Frage ob der Endkunde weiß, dass es sich um DEIN Produkt handelt. Wenn JA, dann ist es ein Lebensmittel, sonst ein Rohstoff den du verkaufst.
- Je nachdem musst dein Betriebskonzept, deine Prozesse und Arbeitsweisen anpassen.
- Als Rohstoffproduzent hast du keinen Einfluss auf den Preis, du hast nur die Möglichkeit deine Kosten zu senken.
- Als Lebensmittelproduzent hast viele Hebel die du bewegen kannst um dein Einkommen zu verbessern (Marke, Absatzwege, Nähe zum Konsumenten, Produktstrategien, …)
Mit diesem Wissen kannst du beginnen an deinem Betrieb zu arbeiten und dein Geschäftsmodell, deine Strategie und deine Prozesse zu überarbeiten.
Autor: Josef Rohregger
josef@zukunft.farm